Amts-  und Landgericht Frankenthal verneinen örtliche Zuständigkeit bei Fotoabmahnung, wenn näherer Bezug zu einem anderen Ort als dem angerufenen Gerichtsort 

Die Kosten der Abmahnung im Urheberrecht bestimmen sich nach dem Streitwert. Leider ist die Streitwertbestimmung bei Abmahnungen von Gericht zu Gericht recht uneinheitlich. Professionelle Abmahnanwälte werden sich daher immer das Gericht auswählen, wo der höchste Streitwert und damit Erlös an Abmahnkosten erhofft wird. 

Im Urheberrecht wurde diesem Spuk mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken weitestgehend ein Ende gemacht. Verbraucher dürfen zum einen nur noch an ihrem Wohnsitz verklagt werden und zum anderen ist für die typische Urheberrechtsabmahnung wegen eines Bildes o.ä. der Streitwert für die Abmahnung gesetzlich auf bis zu 1.000,- EUR festgesetzt worden, wenn der Abgemahnte Verbraucher ist. So erhalten Abmahnanwälte für einen Formbrief, der in Regel bis auf den Namen des Abgemahnten für viele andere Fälle ebenso verwendet wird, nur noch 124,- EUR. 

 

Bei einer Abmahnung gegenüber Geschäftsleuten gelten die obigen Beschränkungen jedoch nicht. Daher können hier weiter merkwürdige Streitwerte veranschlagt werden und Abmahnanwälte können sich das Gericht nach den höchstmöglichst zu erzielenden Abmahnkosten aussuchen.

So trug es sich auch zu, dass ich einen vermeintlich Gewerbetreibenden aus dem Norden von NRW vertreten habe, der von einem Gewerbetreibenden aus Sachsen-Anhalt wegen angeblich unrechtmäßiger Fotonutzung abgemahnt wurde.

 

Der vermeintlich Gewerbetreibende aus dem Norden von NRW hatte auf dem Portal ebay kleinanzeigen Wassertanks mit einem Fassungsvermögen von 1000 Litern angeboten und ausschließlich Selbstabholung angeboten.

 

Der Klägeranwalt dachte sich wohl, dass man hier bzgl. der Abmahnkosten und Lizenzgebühren das meiste in Frankenthal/Pfalz erzielen könnte. Schließlich soll das LG Frankenthal/Pfalz einmal entschieden haben, dass ein Streitwert von 9.000,- EUR für das urheberrechtswidrige Anbieten eines einzigen Produktfotos angemessen sei. Dies wären satte 679,10 EUR Gebühr für den Abmahnbrief, die mein Mandant zahlen sollte.

 

Am Wohnort des Beklagten, im OLG Bezirk Hamm, wird dieser Streitwert gerade mal mit 900,- EUR bemessen, also nur 124,- EUR Abmahngebühren. 

 

Nachdem das AG Frankenthal einen ausdrücklichen Hinweis an den Klägeranwalt erteilt hatte, dass es sich für örtlich unzuständig halte, lehnte der Klägeranwalt eine durchaus mögliche Verweisung an das (wenig lukrative) AG Bielefeld ab.

 

Daher wies das AG Frankenthal die Klage als unzulässig ab. In dem Urteil heißt es:

 

Örtlich zuständig ist das Wohnsitzgericht des Beklagten, vorliegend das Amtsgericht Bielefeld.

 

Nach § 32 ZPO ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die beanstandete Handlung begangen worden ist. Das ist neben dem Ort der rechtsverletzenden Handlung auch der Ort, an dem der Erfolg der Rechtsverletzung eintritt. Als (potentieller) Erfolgsort einer Urheberrechtsverletzun im Internet ist jeder Ort anzusehen ist, zu dem die angegriffenen Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug aufweisen (vgl. BGH GRUR 2010,461 - The New York Times). Dafür ist nicht, wie bei marktbezogenen Delikten wie Wettbewerbsverletzungen, auf die bestimmungsgemäße Abrufbarkelt abzustellen.

 

Vielmehr kommt es lediglich darauf an, dass an dem jeweiligen Ort eine Kenntnisnahme nach den Umständen des konkreten Falls erheblich näher liegtals dies aufgrund der bloß theoretischen Möglichkeit des Abrufs der Fall wäre (BGH a. a. O. Tz 16 ff.). Diese vom BGH im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit für Persönlichkeitsrechtsverletzungen aufgestellten Grundsätze sind auf das Urheberrecht und die inländische Deliktszuständigkeit des § 32 ZPO übertragbar (LG Hamburg, B. vom 27.2.2012, Az. 308 0 63/12, ebenso OLG Frankfurt, MMR 2012, 259 ff).

 

Vorliegend ist nach dem unter "ebay-Kleinanzeigen" eingestellten Angebot mit dem beanstandeten Lichtbiid bei einem Verkaufspreis von gerade einmal 35,00 € und dem Hinweis auf die Selbstabholung in Versmold, dem Wohnsitz des Beklagten, eine Kenntnisnahme nach den konkreten Umständen im Bezirk des Amtsgerichts Bielefeld erheblich näher liegend als die theoretische Möglichkeit des Abrufs in hiesigem Bezirk.

 

Der vorliegende Fall ist danach auch nicht vergleichbar mit der Abrufbarkelt von urheberrechtlich geschützten Werken durch file sharing.

 

Daneben kann auch offenbleiben, dass der Kläger nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet für die der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit zugrunde liegenden Tatsachen (verql. Heinrichs-Musielak, ZPO, 11. Auflage 2014, Rdnr. 14 § 12 ZPO m.w.N.) aufgrund der qualifiziert bestrittenen Gewerblichkeit des Anqebotes ist und danach die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Bielefeld, § 104 a UrhG, §§ 1, 2 VO vom 30.08.2011 (GV NRVV S. 468), in Betracht kommt.

 

Dabei kann dahinstehen, ob der durch den Beklagten erhobene Einwand des Rechtsmissbrauches, § 242 ZPO, und zur Höhe des Gegenstandswertes bei den Abmahnkosten sowie der Lizenzentschädigung begründet sind (vgl. BGH, Urteil vom 26.05.2009, VI ZR 174/08; OL.G Hamm Beschluss vom 13.09.2012 - 1-22W 58/12).

 

Die Klage unterlag nach dem Vorgenannten der Abweisung als unzulässig (Heinrichs-Musielak, a.a.O. Rdnr. 15, § 12 ZPO).

  

 

AG Frankenthal, Urteil vom 03.07.2014 - 3a C 133/14

 

Update am 28.11.2014:

 

Das LG Frankenthal hat das Urteil mit den folgenden Gründen bestätigt:

 

Die Kammer folgt insoweit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 02.03.2010 (Az.: VI ZR 23/09 = MMR 2010, 441 ff.), wonach der Gerichtsstand des § 32 ZPO nicht an jedem Ort eröffnet ist, an dem eine beanstandete Internetveröffentlichung abrufbar und deshalb die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Dies allein reicht nach Sinn und Zweck des § 32 ZPO, der einen vom Gerichtsstand des Beklagten abweichenden Wahlgerichtsstand wegen der durch den Handlungsort oder den Erfolgsort begründeten besonderen Beziehung der Streitsache gerade zu dem insoweit zuständigen Gericht eröffnet, und damit diese besondere Beziehung voraussetzt, nicht aus, um an jedem Art der Abrufbarkeit einen Begehungsort i.S.d. § 32 ZPO bejahen zu können. Hinzu kommen zu der Abrufbarkeit muss vielmehr, dass die als rechtsverletzend beanstandete Internetveröffentlichung einen deutlichen Bezug zu dem Ort des angerufenen Gerichts in dem Sinne aufweist, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten Falls tatsächlich bereits eingetreten sein kann oder noch eintreten kann.

 

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben verbleibt die Kammer bei ihrer im Hinweisbeschluss vom 21. Oktober 2014 dargelegten Rechtsauffassung. Vorliegend ist nach dem unter "eBay-Kleinanzeigen" eingestellten Angebot mit dem beanstandeten Lichtbild bei einem Verkaufspreis von gerade einmal 35,00 € und dem Hinweis auf die Selbstabholung in Versmold, dem Wohnsitz des Beklagten, eine Kenntnisnahme nach den konkreten Umständen im Bezirk des Amtsgerichts Bielefeld erheblich näherliegend als die theoretische Möglichkeit des Abrufs im hiesigen Bezirk.

 

Der weitergehend von dem Berufungskläger gestellte Antrag auf Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 ZPO war zurückzuweisen, da die Voraussetzungen im Hinblick auf die Darlegung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs

nicht gegeben sind.

 

 

LG Frankenthal - 6 S 16/14 - Beschluss vom 18.11.2014

 

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