Aurich hat keinen Bahnhof (und keinen fliegenden Gerichtsstand)

Einem Beschluss des Landgerichts Aurich vom 22.01.2013 ist zu entnehmen, dass Aurich keinen Bahnhof hat. Ich gebe zu, dass mich dies sehr verwundert hat, da ich einfach davon ausgegangen bin, dass ein Ort, an welchem sich ein Landgericht befindet, auch immer einen Bahnhof hat.

Dies ist aber nicht der einzige Grund, weshalb der Beschluss des Landgerichts Aurich lesenwert ist. Das Gericht erteilt nämlich in einer erfrischenden Deutlichkeit dem sog. fliegenden Gerichtsstand eine Absage.

 

Der fliegende Gerichtsstand besagt - verkürzt ausgedrückt -, dass sich der Abmahner bei einem Sachverhalt im Internet den Gerichtsstand nach Gusto aussuchen kann. So werden auch gerne mal Gerichtsstände, die keinerlei Bezug zu den Parteien haben, ausgewählt. Oftmals wird dies von dem Ziel geleitet sein, möglichst hohe und/oder sicherere Rechtsanwaltsgebühren zu erzielen, was zum Beispiel die große Beliebtheit des AG München in Filesharing-Angelegenheiten  erklärt. Dort kann sich auch eine computerlose Großmutter der Verurteilung wegen Filesharing sicher sein. Umgekehrt steht zu vermuten, dass im OLG-Bezirk Düsseldorf - selbst wenn alle Beteiligten aus OLG-Bezirk Düsseldorf stammen - wohl keine Klage wegen Fehlern in Widerrufsbelehrungen mehr anhängig gemacht wird, nachdem das OLG Düsseldorf den Streitwert für derartige Auseinandersetzungen auf gerade mal 900,- EUR festgesetzt hat,

 

Das LG Aurich meinte jedoch zu erkennen, dass die Wahl des Gerichtsstands, der sich möglich weit von dem Antragsgegner befindet, der Schikane diene, wenn auch sonst keine Rechtfertigungsgründe für diese Wahl erkennbar sind (z.B. Klage am Sitz des Antragsstellers oder des Rechtsanwalts des Antragstellers). Hintergrund der Wahl des Gerichtsstands sie, dem Antragsgegner durch zusätzliche Kosten und Mühen die Rechtsverteidigung zu erschweren. In diesem Zusammenhang wurde auch die schwere Erreichbarkeit von Aurich mit öffentlichen Verkehrsmitteln angesprochen.

 

Auch wenn ich diese Begründung mutig finde, so ist die Entscheidung m.E. im Ergebnis doch richtig. Es wäre jedoch wünschenswert, wenn der Gesetzgeber den fliegenden Gerichtsstand durch entsprechende Regelungen stark einschränkt. Der Bürger hat schließlich einen grundgesetzlichen Anspruch auf den gesetzlichen Richter und dieser befindet sich in der Regel an seinem Wohn- oder Geschäftssitz.

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Haben Sie weitere Fragen zu dem fliegenden Gerichtsstand oder Abmahnungen im Markenrecht, Urheberrecht oder Wettbewerbsrecht allgemein? Gerne stehe ich Ihnen für ein kostenfreies Informationsgespräch unter der Telefonnummer 0631 - 84 277 59  zur Verfügung. Auch in meinen FAQ und in meinem Blog finden Sie viele Antworten rund um das Thema Abmahnung, auch zu häufigen vermeidbaren Fehlern nach Erhalt einer Abmahnung. Für Informationen über mich, klicken Sie auf die Rubrik Kanzlei und besuchen Sie meine Hauptseite polishuk.de.

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